Sind ETFs eine Gefahr für die Märkte?

Sind ETFs eine Gefahr für die Märkte?

ETFs werden immer beliebter. Aus guten Gründen. Aber es gibt auch Kritik. Manche sehen in der wachsenden Verbreitung sogar eine Gefahr für die Märkte. Wir haben darüber mit Prof. Dr. Stefan May gesprochen, unserem Leiter der Anlagestrategie und Produktentwicklung.

Ob Megazölle oder Zweifel am KI-Hype: Selbst wenn es an den Börsen zwischendurch mal  nach unten geht, feiern sie auch immer  wieder Rekorde. Manche befürchten eine Blase und führen sie insbesondere auf die wachsende Verbreitung von ETFs und ETF-Sparplänen zurück. Ist da etwas dran?

Das ist schon eine sehr steile These. Und sie ist falsch. Zunächst zum ersten Teil: Übertreibungen gibt es an den Märkten immer wieder. Doch wann eine Übertreibung vorliegt, lässt sich immer erst im Rückblick beurteilen. Ein Kurs kommt nur zustande, wenn eine Seite kauft und eine andere verkauft. Es gibt also bei jeder Transaktion zwei gegenläufige Erwartungen. Welche Seite richtig liegt, zeigt erst die Zukunft.

Dass es an den Aktienmärkten langfristig aufwärtsgeht, hat einen ganz fundamentalen Grund: Aktien beteiligen an Unternehmen und damit an der Wirtschaft. Einzelne Unternehmen können insolvent werden, Branchen und Regionen in lange Krisen geraten. Aber die Weltwirtschaft insgesamt ist prinzipiell auf Wachstum ausgerichtet. Dass neue Rekordniveaus erreicht werden, ist genauso normal, wie es zwischendurch zu Übertreibungen und Korrekturen kommt.

Was ist mit der Verzerrung der Entwicklung durch ETFs?

Vielen neigen dazu, aktuellen Trends hinterherzulaufen und sie damit zu verstärken. Das gilt ganz unabhängig von einzelnen Produkten. Und ganz unabhängig davon, in welche Richtung sich der Trend bewegt. Wir beobachten das übrigens auch bei aktiven Fondsmanagerinnen und Fondsmanagern. Viele agieren sehr zyklisch.

Was die wachsende Verbreitung von ETFs betrifft, kann man feststellen: Sie wirkt eher stabilisierend. Ein ETF-Sparplan läuft automatisch – ob die Kurse steigen oder fallen. Dass man bei einem Einbruch nicht gleich hektisch aus dem Markt aussteigt, ist gut für das langfristige Anlageergebnis. Und gut für den Markt.

Hier und da heißt es jedoch, dass durch die Beliebtheit von indexnahen Produkten die Märkte ineffizienter werden. Weil sie den Märkten blind folgen, wachse die Gefahr von Fehlbewertungen …

ETFs und ETF-Sparpläne sind längst nicht so dominant, dass sie den Preisfindungsmechanismus an den Märkten aushebeln könnten. Kritiker zeigen gerne auf die USA, wo passive Indexprodukte am Fondsmarkt bereits rund 50 Prozent ausmachen. Doch am US-Aktienmarkt halten passive ETFs und Indexfonds lediglich 18 Prozent. Außerdem wächst bei ETFs das Segment aktiver Ansätze gerade besonders stark.

Dass passive ETFs die Funktion der Märkte beeinträchtigen, wird natürlich gern von Leuten behauptet, die sich von der Produktkategorie bedroht fühlen und die für aktive Wertpapierauswahl werben. Aber inwiefern machen aktive Fonds Märkte effizienter? Sind Fondsmanagerinnen und -manager wirklich in der Lage, systematisch Fehlbewertungen zu identifizieren und auszunutzen? Die Statistiken sprechen eindeutig dagegen: Aktive Fonds entwickeln sich in überwältigender Mehrheit gerade langfristig schlechter als der Markt. Sie bewerten den Markt also falsch, trotz aller Analysen und Recherchen. Das trägt nicht zu mehr Effizienz an den Märkten bei.

Was ist denn das Problem aktiver Anlagestrategien?

Dass sie auf Prognosen basieren, die letztlich spekulativ sind. Ob es um die Auswahl von Wertpapieren geht oder um das Timing für den Ein- und Ausstieg: Man kann noch so rationale Berechnungen anstellen, immer geht es um Erwartungen an die Zukunft. Selbst zu den plausibelsten Szenarien gibt es aber jederzeit Alternativen, die in eine völlig andere Richtung gehen.

Aktives Wertpapiermanagement liefert keine zuverlässige Mehrrendite. Das ist bereits seit Jahrzehnten aus der Finanzmarktforschung bekannt. Wenn doch Mehrrenditen entstehen, dann sind die Ergebnisse statistisch meist nicht signifikant. Das bedeutet: Es sind Zufälle. Das Versprechen von Mehrrendite lassen sich aktive Fonds darüber hinaus teuer bezahlen. Schwache Ergebnisse, höhere Risiken, höhere Kosten – eine denkbar schlechte Kombination.

Haben Sie denn auch am ETF-Markt etwas zu kritisieren?

Die wachsende Neigung zu aktiven ETFs. Und außerdem, dass häufig so getan wird, als wäre mit einzelnen ETFs schon eine optimale Anlagelösung gefunden. Denn das stimmt nicht. Statistische Auswertungen zeigen uns, dass einzelne Indizes und damit einzelne ETFs immer unkontrolliert wechselnde Schwerpunkte bilden. Beim beliebten MSCI World sind das nun schon lange US-Aktien und Technologiewerte. Auch mit einer Geldanlage in solche Produkte setzen sich Anlegerinnen und Anleger unnötigen Risiken aus.

Wie lassen sich unnötige Risiken vermeiden?

Mit einer Diversifikation nach wissenschaftlichen Kriterien. Letztlich besitzt jede Aktie eine Reihe charakteristischer Merkmale, die sowohl ihre Renditechancen als auch ihre Risiken bestimmen. Die meisten dieser Risiken können durch Streuung mehr oder weniger abgeschwächt werden. Diese bezeichnet man in der Wissenschaft als unsystematische Risiken.

Mit einem nach wissenschaftlichen Kriterien diversifizierten Weltportfolio bleibt jedoch bloß das systematische Risiko übrig. Nur das wird angemessen entlohnt, eben weil es sich nicht durch Diversifikation herausfiltern lässt. Wir streben mit unserer Anlagestrategie ein sogenanntes effizientes Portfolio an. Darin ist das Verhältnis von Renditechancen und Risiken optimiert. Und ETFs wiederum sind das effizienteste Instrument, um ein solches Weltportfolio aufzubauen.

Wer es ganz genau wissen will: Die Details beschreiben wir in unserem Whitepaper.

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