Anlagestrategie: Besser offensiv oder defensiv?
📢 quirion LIVE 25.04.2024

Ist die Wirtschaft das Problem oder die Lösung?

Ist die Wirtschaft das Problem oder die Lösung?

Ob rasant gestiegene Lebenshaltungskosten, Engpässe bei der Versorgung mit wichtigen Gütern oder die Herausforderungen des Klimawandels: In Krisenfällen wird schnell der Ruf nach dem Staat laut. Philipp Dobbert,Chefvolkswirt der Quirin Privatbank und von quirion, erklärt, wann er ein Eingreifen der Politik für sinnvoll hält und warum marktwirtschaftliche Mechanismen mehr Vertrauen verdienen.

Die Inflation ist für viele Haushalte problematisch. In einer Umfrage der Unternehmensberatung Oliver Wymann haben sich angesichts der Preissteigerungen bei Lebensmitteln jüngst 91 Prozent der Befragten für staatliche Interventionen ausgesprochen. Halten Sie Eingriffe in die Mechanismen der Märkte für vertretbar?

Ich bin kein Politiker. Als Volkswirt habe ich es einfacher, solche Fragen zu beantworten. Ökonomisch gilt der Grundsatz: Überlasst die Preise immer dem Markt! Das heißt nicht, dass ich prinzipiell gegen staatliche Interventionen bin. Wenn Preissteigerungen zu sozialen Härten führen, bin ich absolut dafür, dass der Staat eingreift. Aber bitte in Form von Zuschüssen. Selbst wenn man über Details wie über den Kreis der Begünstigten streiten kann: Die deutsche Energiepreis-Pauschale halte ich zum Beispiel ökonomisch für viel sinnvoller als die spanische Lösung einer Strompreisbegrenzung.

Warum kein Eingriff in den Preismechanismus?

Preise haben in der Marktwirtschaft eine unersetzliche Signalfunktion. Sie weisen auf Knappheiten hin. Preise klettern, wenn das Angebot schrumpft oder die Nachfrage steigt. Im vergangenen Jahr kam bei manchen Gütern beides zusammen. Ändern sich Preise, ist das ein Anreiz für Marktteilnehmer, ihr Verhalten zu ändern. Verbraucherinnen und Verbraucher schränken sich etwa vorübergehend ein oder weichen auf Alternativen aus. Ich will das gar nicht verharmlosen, aber um den Mechanismus zu verdeutlichen: Wird es an der Tankstelle plötzlich sehr teuer, überlegt man sich, auf manchen Strecken vielleicht doch lieber das Fahrrad oder die Bahn zu nehmen. Wichtig ist, dass trotz hoher Preise bislang immer Sprit aus der Zapfsäule kam. Geben künstliche Preise die falschen Signale, kann das auch anders ausgehen. Das Grundproblem wird dadurch jedenfalls nicht gelöst.

Vorübergehende Interventionen bei Krisen sind das eine. Was ist mit gesellschaftlichen Herausforderungen wie dem Klimawandel, muss sich der Staat nicht da nicht doch stärker einmischen?

Wir haben auf einer unserer Veranstaltungen jüngst unter anderem über Nachhaltigkeit gesprochen. Es kam die Frage auf, wie die Politik den Berg von Problemen rund um den Klimawandel bewältigen soll. Ich denke die Frage enthält eine falsche Annahme. Die Politik kann das gar nicht. Politik kann und sollte auch im Bereich Nachhaltigkeit und Klimawandel gute Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Märkte schaffen, doch die konkreten Lösungen müssen von dort kommen. In der aktuellen Debatte erscheint es häufig so, als würden Wirtschaft und Märkte aus Prinzip verbrannte Erde hinterlassen. Und allein die Politik habe die Kompetenz, den Herausforderungen zu begegnen. Dass in politischen Gremien tragfähige Lösungen für mehr Nachhaltigkeit bis in die Details administriert werden können, ist aber ein gewaltiger Trugschluss. Die Planwirtschaft war kein Erfolgsmodell. Dass unser Wirtschaften zu erheblichen Umweltproblemen geführt hat, ist völlig zutreffend. Marktwirtschaft ist aber nicht gleichbedeutend mit Umweltzerstörung verbunden, es ist nicht ihr Zweck.

Was ist ihr Zweck?

Knappheiten zu überwinden und damit die Lebensgrundlagen der Menschen zu verbessern. Ich denke, wenn man sich die historische Entwicklung anschaut, zum Beispiel die in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, hat die Marktwirtschaft einiges vorzuweisen. Es ist nicht alles gut mit unserer Wirtschaftsweise. Aber man darf auch die bahnbrechenden Leistungen nicht ausblenden. Für mich ist dabei die Lebenserwartung die wichtigste Kennziffer: Sie hat sich in vielen Ländern erheblich erhöht. Ob bessere Ernährung oder bessere medizinische Versorgung – das alles ist eng verbunden mit unserer Wirtschaftsform. Im Wettbewerb entstehen die Innovationen, mit denen sich gesellschaftliche Herausforderungen meistern lassen. Der Zweck unserer Wirtschaft ist nicht, dass sich Einzelne drei Autos in die Garage stellen können. Das ist ein Nebeneffekt aber nicht das Wesentliche. Man übersieht das leicht. Für die meisten Menschen in den Industrieländern ist zum Beispiel die ständige Verfügbarkeit von Lebensmitteln, Kleidung, Möbeln und vielem mehr ganz selbstverständlich. Doch es ist eben nicht selbstverständlich.

Was die ständige Verfügbarkeit betrifft: In den vergangenen Monaten kam es bei vielen Produkten zu Engpässen. Es zeigten sich immer wieder Risse in den Lieferketten. Kann man sich auf die Wirtschaft und den damit verbundenen internationalen Handel wirklich verlassen?

Ich denke schon, dass man sich auf den Welthandel grundsätzlich verlassen kann. In welchem Maße man sich darauf verlässt, dass Lieferketten völlig bruchlos „just in time“ funktionieren, ist eine andere Frage. Welthandel bedeutet nicht zwingend, dass man die Lagerhaltung abschafft und keine Notfallpläne für Ausfälle von Lieferanten vorbereitet. Globalen Handel zu befürworten ist auch nicht gleichbedeutend damit, eine Maximierung des Außenhandels zu fordern. Zu große Abhängigkeiten können der Wirtschaft schaden. Im sogenannten „magischen Viereck“ der Wirtschaftspolitik spricht man neben den Zielen Vollbeschäftigung, stabilen Preisen und Wirtschaftswachstum von einem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht. Richtig verstanden, fördert internationaler Handel zu marktwirtschaftlichen Bedingungen langfristig den Wohlstand aller Beteiligten.

Zum Wohlstand beitragen soll auch die Möglichkeit, sich an den globalen Kapitalmärkten zu beteiligen. Wie wichtig ist das Vertrauen auf Mechanismen der Marktwirtschaft für die Geldanlage?

Marktwirtschaft und internationaler Handel sind die Basis für die Erwartung von langfristigem Wirtschaftswachstum. Dabei denke ich nicht nur an Quantität, sondern auch an Qualität. Wachstum muss nicht immer „mehr“, sondern kann auch „besser“ bedeuten. Das Wachstum der Weltwirtschaft wiederum ist der Grund dafür, dass die Aktienmärkte langfristig und im Durchschnitt immer gestiegen sind. Dieser Zusammenhang ist fundamental für die systematische Geldanlage, wie wir sie in unserer Anlagestrategie anstreben. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben.

Mehr über die Zusammenhänge von Wirtschaft und Aktienmärkten lesen Sie hier.

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