Mit seinem Zoll-Poker hält US-Präsident Donald Trump Wirtschaft und Märkte in Atem. Was das für die Geldanlage bedeutet, erklärt Philipp Dobbert, Chefvolkswirt und Leiter unserer Vermögensverwaltung.
Im April kam es an den Märkten zu einer wilden Berg- und Talfahrt. Wie ordnen Sie das ein?
Wenn man sich unter dem Strich anschaut, wie sich die Börsen im April geschlagen haben, könnte man denken: Da war wohl nicht viel los. Der S&P 500 und der Stoxx Europe 600 lagen mit rund einem Prozent im Minus. Nicht sonderlich erfreulich, aber auch nicht dramatisch. Der DAX verbuchte sogar ein leichtes Plus von 1,5 Prozent.
Aber: Die Achterbahnfahrt im April war wirklich außergewöhnlich. Im S&P 500 beispielsweise gab es nach einem drastischen Einbruch den größten prozentualen Tagesgewinn seit 2008. Dass es in so kurzen Zeitspannen zu so deutlichen Bewegungen nach unten wie nach oben kommt, passiert sehr selten. Allerdings könnte es noch eine Weile schwankungsreich bleiben.
So richtig los ging es mit den Turbulenzen, nachdem US-Präsident Donald Trump am 2. April unerwartet drastische Zölle angekündigt hatte. Die traten am 9. April in Kraft, wurden aber noch am selben Tag großteils für 90 Tage wieder ausgesetzt. Wie haben Sie diese Wende erlebt?
Wir hatten am 9. April eine Veranstaltung der Quirin Privatbank. Da ging es vor allem um die Frage, wie man mit dem Kursrutsch der vorangegangenen Tage umgehen soll. Ein paar Stunden später kam dann die Entscheidung Trumps. Und die Märkte sind erstmal nach oben geschnellt. Das war auch für mich in diesem Moment eine Riesenüberraschung. Für mich ist der Verlauf der Ereignisse ein Paradebeispiel dafür, dass sich Marktbewegungen nicht prognostizieren lassen. Und ein weiterer Beleg dafür, dass man in der Anlagestrategie nicht auf Prognosen setzen sollte.
Die Kurse von US-Staatsanleihen, eigentlich ein sicherer Hafen, sind ebenfalls zeitweise ins Trudeln geraten. Die Rede war von einer „Bürgerwehr“ der Anleihemärkte, die sich gegen die Zollpolitik stemmt …
Den Ausdruck „Bürgerwehr“ – oder „bond vigilantes“ – finde ich etwas martialisch. Ich kann nicht beurteilen, ob sich US-Präsident Trump wirklich wegen der Entwicklung bei US-Staatsanleihen genötigt sah, seine Zollforderungen auszusetzen – wie das teilweise kolportiert wurde. Aber dass Märkte in manchen Situationen politische Macht begrenzen können, trifft sicher zu. Und das finde ich durchaus positiv.
Ökonomisch ist es so, dass mit hohen Zollschranken weniger Dollar benötigt würden. Außerdem kamen Spekulationen auf, dass das Vertrauen internationaler Investoren in die Stabilität von US-Anleihen sinken könnte. An der Schwächung des Dollar ist Trump durchaus gelegen. Er will ja US-Exporte wettbewerbsfähiger machen. Ein Interesse an steigenden Zinsen am Anleihemarkt hat Trump aber angesichts der hohen US-Schuldenlast sicher nicht.
Von den Märkten zu den Zöllen: Was wäre aus Ihrer Sicht das Beste und was das Schlechteste, was nach Ablauf der Schonfrist passieren könnte?
Neue Zölle sind nie eine gute Nachricht für die Weltwirtschaft. Man kann nicht einfach sagen, mit neuen Zöllen teilen wir den gemeinsamen Kuchen einfach anders auf. Mit Zöllen wird der Kuchen – also die Weltwirtschaft – kleiner. Neue Zölle bedeuten immer Wohlstandsverluste. Für alle Beteiligten.
Das Beste wäre, wenn zutrifft, was viele denken: dass nämlich Trump vor allem für maximalen Wirbel sorgen will, um zu Verhandlungen zu kommen. Und wenn man sich auf möglichst moderate Zölle einigt, die den Welthandel wenig belasten. Das Schlechteste wäre, wenn die Zölle vollständig wieder eingesetzt und mit Gegenzöllen gekontert werden. Als Ökonom halte ich es jedoch nicht für sonderlich wahrscheinlich, dass es zum Schlimmsten kommt. Das wäre wirtschaftlich ein großer Fehler, der sicher auch politisch Auswirkungen hätte. Im kommenden Jahr sind schon wieder Zwischenwahlen in den USA.
Weil es gerade so viele Unsicherheiten gibt, wäre es nicht eine Überlegung wert, sich mit der Geldanlage in Aktien eine Weile zurückzuhalten und an die Seitenlinie zu stellen?
Das klingt irgendwie naheliegend, doch ich rate entschieden davon ab. Machen wir doch mal ein Gedankenexperiment: Sie haben im April eine scharfe Abwärtsbewegung gesehen. Nun sind Sie erleichtert, dass sich die Kurse etwas erholt haben. Und sorgen sich, dass es nochmals zu einer deutlichen Abwärtsbewegung kommen könnte. Sie steigen aus dem Markt aus. Die Kurse bewegen sich noch eine Weile erratisch. An manchen Tagen fühlen Sie sich bestätigt. Dann wieder haben Sie Zweifel. Denn die Kurse legen irgendwann wieder stärker zu. Zum Beispiel weil es Spekulationen über einen Zoll-Deal mit der EU und anschließend tatsächlich eine Einigung gibt.
Wenn Sie an der Seitenlinie stehen, ist die Frage immer: Wann steigen Sie wieder ein? Es gibt an den Märkten nie die Situation, in der alle Fragen abschließend geklärt sind und in der feststeht, was genau als Nächstes passiert. Klar ist: Ist man nicht investiert, ist man bei steigenden Kursen außen vor. Und klar ist auch: Langfristig und im Schnitt sind die Aktienmärkte bislang immer gestiegen. Mit so breiter Streuung wie in unserem globalen ETF-Portfolio und mit einem langfristigen Anlagehorizont ist es viel erfolgversprechender, Ruhe zu bewahren und investiert zu bleiben.
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